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AutorenbildAlexa Niedermann

«Einladungen in der Paartherapie»

Die Kunst als Paartherapeut ist es, die Einladungen zu erkennen, bevor man sie annimmt (vgl. Retzer A. 2004).


Ich habe dieses Gebot «Auftragsklärung ist das A und O» gefühlte 1000-mal gehört und dennoch verliert dieses Gebot für mich nicht an Relevanz! Fehlt diese eingehende Auftragsklärung, bzw. erfolgt eine Annahme der Einladung, ohne diese zuvor zu prüfen, ist es nicht verwunderlich, dass eine ganze Reihe unterschiedlicher Ziele und Erwartungen unausgesprochen im Raum «hängen» bleiben und den Therapieprozess verunmöglichen.



Unten aufgeführt eine Übersicht über die häufigsten Einladungen, welche Paartherapeuten von ihren Klienten erhalten:


👉 Wir wissen nicht was wir wollen!

Hier ist es wichtig, dem Paar die Gelegenheit zu geben, der Paartherapie eine für sie bedeutende Funktion zuzuschreiben, z.B. mit Hilfe der Fragen:

🗝 «Angenommen wir treffen uns einige Monate später auf der Strasse. Ich würde Sie dann fragen, wie es Ihnen geht, und Sie würden mir sagen, uns geht es gut. Was wäre dann anders als heute?»

👉 Therapieren Sie uns!

Eine feudale Ausgangslage für den Paartherapeuten: Neue Möglichkeitsräume zur Verfügung zu stellen, damit das Paar durch Selbst- und Fremdvergewisserung Klarheit gewinnt, wie sie die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen einsetzen können. Z.B:

🗝 «Was wäre ein erster erkennbarer Schritt woran Sie merken würden, dass Sie sich als Paar in die gewünschte Richtung bewegen? Woran würde es Ihr Partner erkennen?»

👉 Managen Sie unsere Paarbeziehung!

Die Paartherapeutin erhält implizit den Auftrag notwenige Massnahmen oder Entscheidungen für das Paar zu treffen. Sie wird, falls sie die Einladung annimmt, zu einem Teil des Paarsystems. Das Paar hat seine Aufgabe abdelegiert, der Status quo bleibt bestehen. Eine hilfreiche Frage wäre hier:

🗝 «Was müsste ich Ihrer Meinung nach tun oder sagen, damit die Therapie erfolgreich verläuft? Woran würden Sie an Ihrer Partnerin merken, dass sich die Therapie erfolgreich erweist? Was wäre dann anders?»


👉 Seien Sie unsere Klagemauer!

Das Paar sieht sich in einer «Opferrolle». In der Hoffnung mit Klagen etwas zu verändern, bleibt das Paar an Ort und Stelle stehen. Eine mögliche Frage wäre hier:

🗝»Mal angenommen Sie belassen alles beim Alten und tun, was Sie schon immer getan haben, was wird sich Ihrer Meinung nach ändern?» Oder, «Was müssen Sie beide tun, damit Ihre Probleme in der Beziehung noch grösser werden?»


👉 Halten Sie unsere Beziehung zusammen!

Die Paartherapie als letzte Hoffnung für ein «sinkendes Schiff». Wichtig ist es hier dem Paar die Möglichkeit zu geben, über ihre Intentionen und Wünsche nachzudenken, z.B. mit der Frage:

🗝 «Was hält Sie in dieser Partnerschaft? Welche Gründe sprechen dafür und welche gegen eine Rettung dieser Beziehung?»

👉 Helfen Sie mir meinen Partner/meine Partnerin zurückzugewinnen!

Hier handelt es sich um eine implizite Einladung an die Paartherapeutin, welche kaum in dieser Klarheit formuliert wird. In der Regel kommt diese Einladung seitens desjenigen Partners, der die Paarbeziehung in «Gefahr» gebracht hat. Hilfreiche Fragen wären z.B:

🗝 «Nehmen wir mal an ich hätte eine Zauberpille zur Hand und würde Ihnen diese geben und alle Ihre Probleme wären damit gelöst. Woran würden Sie den Effekt der Pille merken? Woran würde es ein unsichtbarer Beobachter merken?»


👉 Helfen Sie mir moralisch unbeschadet die Paarbeziehung zu verlassen!

Diese Einladung kommt seitens desjenigen Partners, der bereits innerlich und/oder auch schon äusserlich die Paarbeziehung verlassen hat. Hierbei geht es um die Befürchtung eines moralischen Gesichtsverlustes. Allem voran, wenn noch kleine Kinder involviert sind. Die Paartherapie dient in diesem Fall als sicherer Ort, um den Partner zu verlassen. Um Klarheit zu gewinnen, könnten folgende Fragen dienlich sein:

🗝 «Was hält Sie noch in dieser Partnerschaft? Oder «Was wäre das Beste, das durch die Paartherapie ermöglicht werden könnte? Was könnte dabei zerstört werden?»


👉 Helfen Sie mir meinen Partner/meine Partnerin der notwendigen Behandlung zu unterziehen!

Die Partnerin wird hier als Behandlungsbedürftige und somit als die Defizitäre dem Paartherapeuten angepriesen. Ein dynamisches Wechselspiel zwischen moralischem Vorgehen «ich schaue, dass meine Partnerin Hilfe bekommt» und der Verantwortungsdelegation an den Paartherapeuten «tun Sie bitte etwas». Mögliche Fragen wäre hier:

🗝 «Wenn Sie das Problemverhalten Ihrer Partnerin verstärken möchten, was müssten Sie dann tun? Was könnte das Verhalten eher abschwächen? Was wäre dann anders als heute?


👉 Unterstützen Sie mich gegen meinen Gegner!

Diese Unterstützung kann verschiedene Formen annehmen: Von der Bestätigung der Opferposition, über die Anklagen des Partners, bis hin zum Hilfeangebot den Partner dort zu verändern, wo es nötig erscheint. Oft wird diese Einladung gleichzeitig von beiden Partnern an den Paartherapeuten herangetragen.

Mögliche Fragen wären:

🗝 «Was genau hält Sie in dieser Partnerschaft? Was schätzen Sie an Ihrem Partner? Was würde passieren, wenn einer von Ihnen diese Beziehung beenden würde?»


👉 Helfen Sie mir meine Schulden bei meinem Partner einzutreiben!

Die Paartherapie kann dazu «missbraucht» werden, einen problemfokussierten und vergangenheitsorientierten Diskurs über geschehenes Unrecht zu führen. Die Paartherapeutin soll das Ausgleichsverfahren einleiten und den Ausgleichsanspruch des Partners gutheissen. Mögliche Fragen wären:

🗝 «Was müsste ich tun, damit Ihre Partnerin sich von mir Ungerecht behandelt fühlt? Was müsste ich tun, damit Ihre Partnerin die Paartherapie hier und jetzt abbricht?» Oder eine unterschiedsbildende Zukunftsfrage: «Woran würde Sie am Ende der Paartherapie erkennen, dass Sie am Ziel angelangt sind? Woran würde es Ihre Partnerin erkennen? Was würde sich verändert haben?»

Rezter. A (2004) Systemische Paartherapie. Konzepte - Methoden – Praxis. Klett-Cotta, Stuttgart.

Schär. M. (2016) Paarberatung und Paartherapie. Partnerschaft zwischen Problemen und Ressourcen. Spring-Verlag, Berlin.

Um einer geschlechterneutralen Schreibweise gerecht zu werden, habe ich beide Formen, sowohl die weibliche als auch die männliche, verwendet. Beide Formen werden synonym verwendet.

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